CEO RONNY ZINGRE SAGT VORÜBERGEHEND TSCHÜSS UND GEHT FÜR 4 MONATE IN FAMILIENZEIT

28.03.2022

LIEBER RONNY, DU HAST DICH ENTSCHIEDEN DEINEN CEO ALLTAG DIE KOMMENDEN 4 MONATE RUHEN ZU LASSEN UND DICH VOLL UND GANZ DEINER FAMILIE ZU WIDMEN. WAS HAT DICH ZU DIESEM ENTSCHEID BEWOGEN?

Nach knapp 10 Jahren als CEO möchte ich mich vollumfänglich auf den Familiennachwuchs konzentrieren. Es ist eine grosse und intensive Vorfreude, meine Tochter kennen zu lernen. Damit dieses gegenseitige Kennenlernen funktioniert, braucht es diesen alleinigen Fokus auf die Familie. Im normalen Alltag, in meiner Rolle als Eigentümer und Geschäftsführer, ist eine Trennung von Geschäft und Privat sehr schwierig. Oft sind die Arbeitstage lang und die MBV ist allgegenwärtig.

WIE HOCH IST DIE QUOTE VON MBV-MITARBEITERN, DIE EBENFALLS EINEN LÄNGEREN VATERSCHAFTSURLAUB GENOSSEN? 

Heute ist diese Quote in unserer Firma zu tief. Bei werdenden Müttern bestand die Nachfrage immer, eine etwas längere Auszeit zu nehmen. Diesem Wunsch haben wir stets entsprochen und auch veränderte Arbeitszeiten in Kombination mit Homeoffice sind kein Problem. 

Die Schweizer Gesellschaft ist meiner Meinung nach aber rückständig, wenn es um Elternzeit geht. Leider konnte ich noch nicht mit aller Konsequenz diese Meinung in unsere eigenen Arbeitsbedingungen überführen. Mein Ziel ist es nun, mit gutem Beispiel voranzuschreiten und klar Stellung zu beziehen. Ich kann mir ein Modell vorstellen, bei dem es möglich sein wird, die Elternzeit flexibler zu gestalten. Mit meiner Auszeit lebe ich vor, wie Elternzeit auch für Väter zukünftig aussehen könnte. 

WIE HAT DEIN UMFELD AUF DEINE ENTSCHEIDUNG REAGIERT?

Sehr positiv. Viele Freunde, Bekannte, Arbeitskollegen und Geschäftspartner gratulierten mir zu diesem Schritt. Darüber hinaus entstanden auch sehr tiefgründige Gespräche über die Gleichstellung von Mann und Frau. Viele sind davon überzeugt, dass es sehr gut sein wird für meine Tochter und mich, uns in Ruhe kennen zu lernen. Weiter wurde die Unterstützung für meine Frau, dank dieser Auszeit, sehr positiv erwähnt – vor allem von Müttern, die sich auf die ersten Monate in dieser neuen Situation zurück besonnen.

Mein Umfeld stellte ausserdem oft dieselbe Frage: Kannst du im Geschäft loslassen? Meine Antwort darauf war immer die Gleiche: Ich habe die letzten zehn Jahre damit verbracht, ein Team aufzubauen, Prozesse zu entwickeln und zu festigen und die Verantwortung auf mehrere Schultern zu verteilen. Ich bin davon überzeugt, dass mein Team weiterhin die gewohnte MBV-Qualität liefern wird. Ich freue mich sehr auf meinen Wiedereinstieg Mitte August. Eventuell werden wir ja dann einige Punkte neu starten und anders angehen. 

WIE HAST DU DICH AUF DIE KOMMENDEN MONATE VORBEREITET? 

Ich habe mein Velo in den Service gebracht, die Laufschuhe auf Vordermann gebracht und meinen geschäftlichen E-Mail-Account von meinem Handy entfernt. Unsere kollaborativen Tools sind stummgeschaltet und vom Home-Bildschirm entfernt. Gedanklich bereite ich mich auf das Kochen vor, das ich intensivieren möchte. Meine Frau hat mir schon ihre Lieblingsrezepte aufgezählt, welche ich nach der Geburt für sie kochen darf. Mal schauen, ob sich die Realität an unsere Pläne halten wird (lacht).

Geschäftlich habe ich mich vor allem mit dem Management Team sehr strukturiert auf die Auszeit vorbereitet. Ca. vor einem Monat haben wir mit der operativen Verteilung der verschiedenen Aufgaben angefangen. Als Konsequenz hielt ich mich in den letzten zwei Wochen aus den operativen Meetings raus und stand nur noch für Rückfragen zur Verfügung. 

WAS DENKST DU, WELCHE ERFAHRUNGEN AUS ZEHN JAHREN CEO WERDEN DIR HELFEN, DEN HERAUSFORDERNDEN BABYALLTAG ZU MEISTERN? 

Ruhe zu bewahren in hektischen Situationen begleitet mich als CEO sehr viel. Es gelingt mir oft – nicht immer – ruhig zu bleiben. Der eigene Nachwuchs wird bestimmt zu Situationen führen, in denen Ruhe und Übersicht sicher von Vorteil sein werden. Ich lese gerade das Buch von Dave Grohl «Der Storyteller: Geschichten aus dem Leben und der Musik». Da erzählt Dave, wie er blutüberströmt vor der Türe steht, aufgrund eines Unfalls mit einem Golfschläger. Da spüre ich heute schon, wie es mich schaudert. Ich hoffe, dass so etwas nie passieren wird, aber wenn doch, hoffe ich auf Ruhe, Übersicht und klare, nachvollziehbare Entscheidungen.

Ausserdem treffe ich oft auf neue Situationen, die ein Verlassen meiner Komfortzone fordern. Ich bin überzeugt, dass es auch privat bald noch mehr solche Situationen geben wird, denen ich mich werde stellen müssen und hoffe, dabei von geschäftlichen Erfahrungen zu profitieren.

LEAN IST EIN GROSSES THEMA BEI DER MBV UND WIRD REGE GELEBT. HAST DU LEAN AUCH BEREITS IN DEN ERSTEN BABYMONATEN EINGEPLANT?

Ich habe mit meiner Frau verhandelt, dass wir die Kleider unserer Tochter nach einem strikten Prozess einräumen. Und zwar von links nach rechts und von oben nach unten. Sie werden von links nach rechts in der Reihenfolge eingeräumt, wie sie der Kleinen angezogen werden müssen, also zum Beispiel 1. Body, 2. Höschen, 3. Pullover, etc. Von oben nach unten bedeutet dann zuoberst sind die Kleider für 1 monatige Babys, darunter die für 2 Monate, dann 3 Monate etc. (schmunzelt). Im Sinne eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses werden wir diesen Prozess natürlich einer rigorosen Prüfung unterziehen und konsequent verbessern. Ich hoffe,  die Produktivität so entsprechend steigern zu können. Die erste Ist-Analyse des Prozesses wird ca. 3 Wochen nach der «Lieferung», sprich der Geburt stattfinden (lacht).

DAS KLINGT JA SEHR VIELVERSPRECHEND! DA FREUEN WIR UNS ZU HÖREN, WIE SICH DIESER PROZESS ZU HAUSE BEWÄHRT. 

SICH SELBST ALS CEO MAL EINE PAUSE ZU GÖNNEN, DAS TRAUT SICH NICHT JEDER. BIST DU ZUVERSICHTLICH, DASS AUCH OHNE DEINE STÄNDIGE PRÄSENZ ALLES RUND LAUFEN WIRD?

Unsere Kunden sind mit unserer Leistung stets zufrieden  und das geschieht ohne mein direktes Mitwirken. Unser Team besteht aus vielen verschiedenen Persönlichkeiten und Fähigkeiten – ich bin ein Teil davon. Das macht uns als Team einzigartig. Kurzum, ja, ich bin felsenfest davon überzeugt, dass wir auch die kommenden Monate unsere Kunden ins Zentrum unserer Arbeit stellen – jeden Tag aufs Neue und auch ohne meine Präsenz. Durch meine Abwesenheit ändert sich die Einstellung des Teams nicht.

HAND AUFS HERZ, WAS DENKST DU, WIE OFT  WIRST DU TROTZDEM DEINE E-MAILS, DEN TEAMS-CHANNEL CHECKEN ODER SONSTIGE AKTIVITÄTEN DER MBV VERFOLGEN?

Ich glaube, auf E-Mails und Benachrichtigungen gut verzichten zu können. Es ist meine oberste Aufgabe, hier als gutes Vorbild zu wirken und mich in meiner Auszeit wirklich ganzheitlich zurück zu ziehen. Als Familienunternehmen ist das Thema MBV an einem Familientreffen jedoch immer präsent. Deshalb werde ich sicherlich auch ein wenig mitbekommen was läuft. Aber das ist auch in Ordnung.